Marc Kräutle
16.01.2020
Transformation ,

Top down oder bottom up


Digitalisierung im Unternehmen: Wer steuert?

In meinen letzten Beiträgen bin ich auf das Thema ‚Digitale Transformation‘ eingangen. Zusammengefasst bedeutet es die Bereitschaft, wesentliche Veränderungen beim Mindset der Mitarbeiter in Gang zu setzen, mit dem Ziel, das Mitarbeiter-Potenzial für Digitalisierungsprozesse zu heben. Das bedeutet, jenseits der bisherigen Geschäftsfelder und Arbeitsprozesse neue Ideen zu entwickeln. Das bedeutet aber auch, Problemlösungen für aktuelle Fragestellungen zu erarbeiten, die etwa durch Zeit- und/oder Ressourcenersparnis Kosten reduzieren. Bei den Prozessen, in denen wir involviert sind, stellt sich dann oft die Frage, wer das denn eigentlich steuert, wenn man Mitarbeitern ein wesentlich höheres Maß an Beteiligung einräumt, wenn man ihnen die Möglichkeit bietet, an strategischen Fragestellungen wie etwa neuen Geschäftsfeldern mitzuarbeiten. Top down oder bottom up? Das ist hier die Frage.

Im letzten Beitrag schilderte ich wie Unternehmungen in 3 Phasen den Digitalisierungsprozess vorantreiben können und ging auf das Beispiel vom Digital Lab von Mercedes im Werk Bremen. In der ersten Phase können Mitarbeiter jeder Hierarchie-Ebene eigene Vorschläge einreichen, die kurzfristig bewertet werden und bei Eignung Ressourcen erhalten, um die ersten konkreten Schritte umzusetzen. Wird diese Prozedere stringent durchgezogen, dann hält tatsächlich ein neues Denken im Unternehmen Einzug. Das Unternehmen fördert Ideen und errichtet etwa mit einer Projektgarage einen geschützten Ort zum Experimentieren. Man könnte das auch ‚a place to fail‘ nennen, trial and error, einen Ort also, in dem man erste Schritte macht, testet und mit den Ergebnissen sofort in die Verbesserung des bisherigen Ansatzes geht. Wir setzen hier bei unseren Kunden ganz bewusst auf Methoden wie Design Thinking und SCRUM, um den Nutzerfokus in den Vordergrund zu stellen, um schnell Fehler zu eliminieren und um in sehr kurzer Zeit erste Prototypen an den Start zu bringen.

Mitarbeiter lösen einzelne Fragestellungen, das Management bestimmt den strategischen Rahmen
Mitarbeiter, die in solchen Entwicklungsumgebungen und interdisziplinären Teams arbeiten, beschäftigen sich also vor allem mit einzelnen Fragestellungen, der Optimierung des Vertriebs durch digitale Instrumente vielleicht oder der Verbesserung von internen Organisationsstrukturen. Im Digital Lab von Mercedes wurde zum Beispiel von den Mitarbeitern die App ‚Tauschzeit‘ entwickelt. Es geht dabei schlicht um die Organisation der Besetzung der Schichten. Die App soll gewährleisten, dass Mitarbeiter sehr einfach Anwesenheitszeiten mit Kollegen der vorherigen/nächsten Schicht tauschen können und damit flexibler auf Anforderungen im Privatleben reagieren können. Hier entsteht im Unternehmen ein Stück Selbstbestimmung. Das erhöht die Zufriedenheit der Mitarbeiter, entlastet die Organisationsstrukturen und schafft gegenseitiges Verantwortungsgefühl. Oder die App ‚Smartcheck‘, die beim Automotive Lean Production Kongress 2019 ebenfalls vorgestellt wurde: ein gut durchdachtes Programm zur digitalen Abbildung der Prozesse inklusive einer Schritt-für-Schritt Anleitung via Datenbrille. Damit werden Einarbeitungszeiten verkürzt und Fehler vermieden – eine hervorragende Idee, um Kosten zu sparen und die Qualität zu verbessern.

Wenn wir uns solche Beispiele ansehen, dann können wir die Frage vom Anfang des Textes problemlos beantworten. Die von den Mitarbeitern initiierten Prozesse müssen ins strategische Bild des Unternehmens passen. Bewertung und Einordnung liegen also ganz klar beim Management. Hier werden die Leitlinien definiert und hier wird entschieden, in welche Richtung sich das Unternehmen entwickeln soll. Im Bereich der konkreten Entwicklungsarbeit allerdings haben die Mitarbeiter die Oberhand. Sie bringen ihr konkretes fachliches Know-how ein, ihr Prozesswissen, ihre Kundenerfahrungen, ihre Material- und Maschinenkenntnisse. Es ist also ein Sowohl – Als auch. Top down werden die Prozesse strategisch getrieben. Sie müssen ins strategische Zielbild passen. Die Mitarbeiter sehen die Ideen und Probleme in ihrem Bereich und können hier vielfältige bottom up-Ansätze generieren.

Die digitale Transformation hat unterschiedliche Facetten. Neben der Digitalisierung der Prozesse und der Produkte gehört unbedingt die Entwicklung einer digitalen Unternehmenskultur und Organisationsentwicklung dazu. Zentral sind hier die Themen Führung und Leadership. Dazu selbstverständlich auch, das Implementieren des dafür notwendigen Methodenwissens (Stichworte Design Thinking, Scrum).


Marc Kräutle

Marc Kräutle is an international management consultant with strong experience in the discrete industry. He is one of two Managing Directors and owners of Agamus Consult and author of this blog. For more than 15 years he has been committing to operational excellence, supply chain & lean management and (digital) transformation.

He started his consulting career in Paris, gained his first international experience by working on projects abroad and took over interim leading positions as a line manager in the automotive industry in the 2000s. In 2008 he has joined Agamus Consult Germany and did launch the initiative: Forum for Digitized Industry (www.smart-applications.com) at the end of 2017.

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