Marc Kräutle
11.09.2019
Work 4.0 , Digital Offering , Transformation ,

Digitale Innovationen in Industrieunternehmen - Kreativität in den eigenen Reihen


Wie steuert man ein Unternehmen in die und während der Phase der digitalen Transformation?

In meinem letzten Artikel habe ich gezeigt, dass wir eine Änderung des Denkens benötigen, damit sich auf dieser Basis auch die Strukturen des Unternehmens den neuen Herausforderungen anpassen können.

Mit einem Dreischritt kann man das eigene Unternehmen gut auf die Veränderungen vorbereiten.

Ideenwettbewerbe bieten hier als Schritt eins eine gute Basis. So arbeitet etwa das Digital Factory Lab bei Mercedes Benz in Bremen, bei dem wir im Rahmen des von uns mit dem Fachmagazin Automobil Produktion organisierten Automotive Lean Award im letzten Jahr zu Gast waren. Die Anmeldungen für 2019 laufen übrigens. Diesmal sind wir am 5. und 6. November 2019 bei einem der Award-Gewinner von 2018, bei Volkswagen in Wolfsburg. Hier werden zum fünzehnten Mal die Best Performer mit den Automotive Lean Production Awards ausgezeichnet.

Das Mercedes Benz Werk Bremen macht es vor: Eine Jury entscheidet regelmäßig über Vorschläge der Mitarbeiter und ermöglicht ihnen bei positiver Bewertung, mit ihrer Problemlösung bzw. Entwicklung an einem Pitch teilzunehmen, der ebenfalls regelmäßig (z.B. zwei-, drei- oder viermal im Jahr) stattfindet. Der Pitch bildet Schritt zwei. Für diese Entwicklung im Rahmen des zweiten Schrittes können die ausgewählten Mitarbeiter dann bereits einen Teil ihrer Arbeitszeit aufwenden, z.B. einen halben Tag pro Woche über einen Zeitraum von acht bis zehn Wochen. An diesem zweiten Schritt sollten pro Pitch zwischen 15 und 25 Mitarbeiter teilnehmen – das Format ist offen für alle Hierarchieebenen und natürlich muss der Start dieser neuen Struktur intern intensiv kommuniziert werden. Wie die Vorbereitung eines Pitches aussehen könnte sehen sie in diesem YouTube Video zum Projekt Fit4Ride in Bremen.

Auf dem Weg in die Projektgarage

Wer also bei Schritt zwei nach festgelegten und transparenten Kriterien ein ‚Go‘ bekommt, erhält vom Unternehmen Unterstützung in Form eines Workshops, zu dem weitere Spezialisten und „Betroffene“ (Users) hinzugezogen werden. Ziel ist es, möglichst schnell eine erste greifbare Vision zu entwickeln, Nutzen, Optionen, Aufwände abzuklopfen und die Basis für einen Prototypen zu legen. An dieser Stelle sollten der Geschäftsführung bzw. Werksleitung dann regelmäßig profund argumentierte Geschäftsoptionen vorliegen, die nun darauf hin geprüft werden, ob sie zur Strategie des Unternehmens passen. Hier können Unternehmen zwei Wege gehen. Was passt, kommt – Schritt drei - in die ‚Projektgarage‘, in der das Projekt nun vom Unternehmen finanziert und konkret mit agilen Methoden und in Sprints vorangetrieben wird. Was nicht zur eigenen Strategie passt, aber dennoch Wertschöpfung verspricht, kann auch als Beteiligungsgesellschaft ausgegliedert werden. Das Unternehmen kann hier zu Beginn z.B. mit Räumlichkeiten, Übernahme der Verwaltung, Zugang zu Märkten oder Produktionsmitteln die ersten Schritte erleichtern. Die Projektgarage, in der je nach Größe des Mutter-Unternehmens mal zwei und auch mal zwanzig kleinere Teams arbeiten können, benötigt zum einen die regelmäßige Unterstützung der Führungsebene, zum anderen interne oder externe Coachings und interdisziplinäre Experten.

Bewährt hat sich ein Arbeiten ohne Angst vor Fehlern, aber mit einer Steuerung und einem geregelten Prozess. Dies geschieht durch kurze Entwicklungszyklen zwischen sechs Wochen und drei Monaten, nach denen die Ergebnisse – z.B. ein erster Prototyp - evaluiert und das weitere Vorgehen sowie weitere Budgets festgelegt werden. Mit den kurzen Phasen entsteht i.d.R. ein ‚fail often and early‘. Das Engagement der Mitarbeiter bleibt meist auf hohem Niveau, Fehler haben nur geringe Tragweite und werden eher als Erfahrung denn als Scheitern gesehen. Als Ansatz hat sich durch den nutzerzentrierten Fokus Design Thinking bewährt – der Vorteil liegt hier vor allem in der Grundidee, dass man Probleme besser löst, wenn Menschen aus unterschiedlichen Fachrichtungen ihr Know-how und ihre Erfahrungen in einem kreativen Umfeld zusammenbringen und im Team die „User Experience“, unter Beleuchtung des möglichen Nutzens und der Wirkungsweisen von Ideen aus verschiedenen Perspektiven, betrachten. Geleitet werden sollten solche Workshops von externen Spezialisten, die das methodische Know-how mitbringen. Damit können sich die internen Mitarbeiter ganz auf ihre Fachkompetenz konzentrieren.

Mit solch einem Vorgehen entsteht im Unternehmen in wenigen Monaten ein breiter Fächer von Ideen zur Digitalisierung, die mit Voranschreiten der Projekte mehr und mehr die Philosophie des Unternehmens beeinflussen und den kulturellen Wandel einleiten. Der Weg in Richtung Industrie 4.0 wird so für alle Mitarbeiter greifbar. Gleichzeitig werden durch die breite Wissensbasis der Mitarbeiter immer wieder spannende Projekte generiert, mit denen im besten Fall die Wertschöpfung des Unternehmens erhöht wird. Die Agilität in den Projekten steigt und in der Folge auch die Agilität der Organisation insgesamt. Hinzu kommt: Die so aktivierten Mitarbeiter empfinden die neue unternehmerische Mitverantwortung meist als Wertschätzung. Das steigert Engagement und Bindung.


Marc Kräutle

Marc Kräutle is an international management consultant with strong experience in the discrete industry. He is one of two Managing Directors and owners of Agamus Consult and author of this blog. For more than 15 years he has been committing to operational excellence, supply chain & lean management and (digital) transformation.

He started his consulting career in Paris, gained his first international experience by working on projects abroad and took over interim leading positions as a line manager in the automotive industry in the 2000s. In 2008 he has joined Agamus Consult Germany and did launch the initiative: Forum for Digitized Industry (www.smart-applications.com) at the end of 2017.

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