Marc Kräutle
25.01.2021
Work 4.0 , Operations Excellence , Digital Inspiration ,

Digital Loss Collection als Teil einer wertschöpfenden Digitalisierungsstrategie bei Iveco


Covid-19 – wie Handlungsfähigkeit und Entschlossenheit in unsicheren Zeiten wahren?

Was für eine bewegtes Jahr 2020. Nie haben sich Unternehmungen so schnell anpassen müssen, nie gab es solch eine Planungsunsicherheit. Auch in der Nutzfahrzeugbranche war das nicht anders, hatte sie doch mit deutlichen Umsatzrückgängen zu kämpfen. „Die Auswirkungen des Coronavirus und ein deutlicher zyklischer Abschwung haben den Nutzfahrzeugmärkten einen schweren Schlag versetzt. … Wir werden uns noch lange in einer sehr schwierigen Situation befinden“, kommentierte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Der neuerliche Shutdown zum Jahresbeginn hat kaum dazu beigetragen, die Märkte zu beflügeln und der Ausblick ist ebenfalls trüb.

Verschwendungsanalyse in Echtzeit

Auch wenn erste Signale aus China einerseits, aus der Stahlindustrie andererseits Anlass zur Hoffnung geben, dass der Markt 2021 wieder anspringt: Corona und Kurzarbeit haben tiefe Lücken gerissen, die 2021 kaum aufzufüllen sind. Deshalb steht bei LKW-Herstellern die Minimierung von Verlusten derzeit ganz oben auf der Agenda. Der Nutzfahrzeughersteller Iveco setzt hier neben einem robusten Produktionssystem ebenfalls auf  Digitalisierung. Mit der „Digital Loss Collection“ erfasst der Vorzeigestandort in Valladolid in Echtzeit alle Verschwendungen im Werk. Das bietet nicht nur in volatilen Zeiten eine gute Entscheidungsgrundlage, wo Ineffizienzen zu bekämpfen sind. Es ist vor allem eines der ersten Teilziele in einer umfassenderen Digitalstrategie.

Wie die „Digital Loss Collection“ aussehen kann, zeigte Pablo Blanco Tazón, Verantwortlicher für Continuous Improvement Activities und 4.0-Projekte bei Iveco Spanien, im Rahmen unseres „Best Practice Day“ Mitte November. Gemeinsam mit Iveco veranstalteten wir einen Online Benchmark Visit in der Fertigung in Valladolid rund 200 Kilometer nördlich von Madrid.

Grundsätzlich geht es beim Thema Digital Loss Collection darum, umfassende Messdaten in Prozessen zu sammeln und auszuwerten. Die Besonderheit hierbei ist, dass die Digital Loss Collection auf die Cost Deployment Methodik aufsetzt - ein mächtiges Vorgehen, um Verschwendungen in der Produktion zu ermitteln und Kosten zu senken. Dabei werden die Ursachen für Verschwendungen in einer hohen Granularität  identifiziert.

Realtime-Daten im permanenten Abgleich mit Zielgrößen

Im Iveco-Werk in Valladodid werden zwei unterschiedliche Prozessebenen untersucht: zum einen die Hauptprozesse der Produktion, zu denen Schweißen, Lackieren und Montage gehören, zum anderen Support-Prozesse, zu denen Qualität, Logistik, Instandhaltung und Engineering, mit der technischen Werkplanung und der Produktentwicklung, gehören. Um Verluste zu identifizieren, wird zunächst jeder dieser Bereiche als idealer Prozess detailliert beschrieben und mit einer Kostenberechnung verknüpft. Zudem werden möglichst viele Realtime-Daten im Prozess selbst erhoben. (Abbildung)

Die Realtime-Daten vergleicht man in einer kontinuierlichen Auswertung mit den Zielgrößen, sodass Abweichungen und damit Verluste unmittelbar sichtbar werden. Das betrifft die Anzahl der Mitarbeiter, die für eine Aufgabe tätig sind, ebenso wie benötigte Energiemengen bei Wasser, Gas, Strom und Druckluft, Qualitätsleistungskennzahlen wie etwa die Anzahl von Rückläufern, Instandhaltungstätigkeiten oder zusätzliche Lagerbewegungen aufgrund von fehlendem Material. Je nach System liefern hier Personaldaten wie Krankmeldungen und Schichtstärken oder Sensoren, die Materialstände oder Qualitätskriterien messen, die relevanten Werte. All diese Informationen werden in einem System zusammengeführt und in Echtzeit sichtbar gemacht.

Der Vorteil: Probleme werden erkannt, sobald sie entstehen und nicht erst, wenn daraus gravierende Folgen für die gesamte Produktion entstehen. Über alle Unternehmensprozesse hinweg sind schnelle Analysen möglich. Das Unternehmen kann schneller und besser eingreifen, bevor die Kosten außer Kontrolle geraten, und kann somit Verluste systematisch bekämpfen.

Bemerkenswert ist bei Iveco aus meiner Sicht zum einen die Bescheidenheit über das Erreichte, zum anderen aber auch das Konkretum der nächsten Schritte. Die Digital Loss Collection ist tatsächlich nur der erste Schritt auf einem umfassenden Weg zu einer vernetzten Industrie, die eine kontinuierliche Optimierung und Veränderung des kompletten Standorts mit sich bringt. Unser WCM-Experte beschrieb bei seinem Vortrag sieben Schritte der Digitalisierung, von der Digital Loss Collection über automatische Warnungen bis hin zu prädiktiven Geschäftsmodellen.

Agiles Kostenmanagement in unruhigen Zeiten

In schwierigen Zeiten ist es sicher wichtig, Kosten zu optimieren, indem man ideale und schlanke Prozesse definiert, diese überwacht und auf Abweichungen reagiert. Unternehmungen haben in der Covid19-Krise gezeigt, wie einfallsreich und schnell sie die Einschränkungen in ihren Produktionen umgesetzt haben. Zur Wahrung des Abstandes zwischen den Werkern wurden Montagevorgänge angepasst, und eingespielte Abläufe umgestellt. Dies allerdings meist zu Lasten vom Line Balancing. Mit Cost Deployment und Digital Loss Collection bleiben die Abweichungen zum Idealprozess aber transparent und beherrschbar.

Begreift man die digitale Erfassung der Verschwendungen wie Iveco allerdings als intelligenten ersten Schritt in eine umfassende Digitalisierung, ergeben sich neben den wichtigen Kosteneffekten im Nahfristzeitraum auch Weichen, um die Einsparziele für die Zukunft zu erreichen. Seit über 10 Jahren schafft das Werk seine jährlichen Kostensenkungsziele von sechs Prozent und mit der Digitalisierung bin ich überzeugt, dass diese Einsparungen auch in den nächsten Jahren stets zu holen sein werden.

Ich empfehle Ihnen, von Iveco Valladolid Folgendes mitzunehmen: Die digitale Erfassung der Verschwendungen entfaltet ihr hohes Optimierungspotential nur dann, wenn sie mit einer soliden Methodik zum Kostenmanagement untermauert wird. Denn machen wir uns nichts vor: Auch nach Covid-19 werden sich Unternehmen schnell Veränderungen anpassen müssen. Transparenz, durchdachte Strukturen und intelligente Digitalisierung helfen dabei.


Marc Kräutle

Marc Kräutle is an international management consultant with strong experience in the discrete industry. He is one of two Managing Directors and owners of Agamus Consult and author of this blog. For more than 15 years he has been committing to operational excellence, supply chain & lean management and (digital) transformation.

He started his consulting career in Paris, gained his first international experience by working on projects abroad and took over interim leading positions as a line manager in the automotive industry in the 2000s. In 2008 he has joined Agamus Consult Germany and did launch the initiative: Forum for Digitized Industry (www.smart-applications.com) at the end of 2017.

Kontakt

+49 89 44 388 99 50

contact@smart-applications.com

Nutzen Sie auch unser Kontaktformular.