Marc Kräutle
06.09.2018
Transformation ,

Das Wunder der Digitalisierung


Warum Kunden sich nicht immer für die beste Lösung, sondern für die gewohnte Marke entscheiden

Manchmal wundert man sich ja. Über Dinge, die man von Kunden erfährt zum Beispiel. Vor kurzem etwa von dem Geschäftsführer eines großen mittelständischen Unternehmens, das sich mit dem Thema Digitalisierung auseinandersetzt. Es ist ein wenig wie Einkaufen in einem fremden Land. Man steht im Supermarkt und kennt nur wenige Marken. Schließlich greift man bei Shampoo, Creme, Duschzeug und Deo einfach zu dem Markenprodukt, das man von zuhause kennt, da man sich dabei sicher fühlt.

In der Digitalisierungswelt läuft es manchmal ähnlich. Das eine Produkt – sagen wir das Deo - heißt zum Beispiel SAP ERP ECC (oder S4 Hana, der Nachfolger), das wohl bekannteste ERP auf dem hiesigen Markt. Das Schwesterprodukt ist dann die Creme, das SAP CRM (Customer Relationship Management). Sie haben genauso viel miteinander zu tun wie Creme und Deo. Man kann beide von der gleichen Marke nehmen, zwingend ist das allerdings nicht. Damit alles reibungslos harmoniert, sagt der Vertriebsmitarbeiter, solle man doch unbedingt beides vom gleichen Anbieter nehmen. Dabei sollte sich der Kunde vielleicht eher fragen, ob die Creme denn zum eigenen Hauttyp passt.

SAP entwickelt hervorragende Softwarelösungen. Keine Frage und hier auch nicht mein Thema. Häufig begeistern mich die Möglichkeiten, die mir SAP-Lösungen in meinen Optimierungsprojekten bieten. Große Software-Anbieter verstehen sich aber inzwischen darauf, unterschiedlichste Produkte als Komplettlösung anzubieten und so den Markt gegen den Wettbewerb abzuschotten. Das ist aus Vertriebssicht natürlich legitim. Aus Anwendersicht wäre es aber – empfindlicher Hauttyp – vielleicht besser, ein anderes Produkt zu wählen, das mehr den eigenen Anforderungen entspricht. Da man selbst nur wenige Marken kennt und keine Übersicht hat, begibt man sich mit einem leichten Unwohlsein in die Abhängigkeit des einen Anbieters, statt aus dem reichen Angebot das zu wählen, was den eigenen Bedürfnissen am besten entgegenkommt.

Das Folgende ist aus vertrieblicher Sicht dann fast ein Selbstläufer. In den nächsten vier bis fünf Jahren – jetzt haben Sie doch schon Deo und Creme – nimmt man Stück für Stück die ganze Serie. Passt ja alles zusammen, weil das gleiche Logo auf der Schachtel prangt. So sind bei meinem oben genannten Ansprechpartner ein APS und ein MES der gleichen Marke geplant.

Die Idee von Industrie 4.0 war schon immer eine andere. Flexibel Lösungen miteinander vernetzen, die zum eigenen Unternehmen passen. Anbieterübergreifend das wählen, was jetzt und in Zukunft zu den eigenen Ideen und Entwicklungen passt. Und bei jedem Schritt erneut die aktuelle Situation und die geplante Entwicklung in den Blick nehmen und agil daran anpassen. Industrie 4.0 als Summe der Apps. Das frühzeitige Festlegen auf eine mehrjährige Roadmap hat hingegen vor allem einen Vorteil: Man muss nicht weiter darüber nachdenken. Wer das so macht, steht wahrscheinlich irgendwann da, blickt auf die Ergebnisse und resümiert: Manchmal wundert man sich ja.


Marc Kräutle

Marc Kräutle is an international management consultant with strong experience in the discrete industry. He is one of two Managing Directors and owners of Agamus Consult and author of this blog. For more than 15 years he has been committing to operational excellence, supply chain & lean management and (digital) transformation.

He started his consulting career in Paris, gained his first international experience by working on projects abroad and took over interim leading positions as a line manager in the automotive industry in the 2000s. In 2008 he has joined Agamus Consult Germany and did launch the initiative: Forum for Digitized Industry (www.smart-applications.com) at the end of 2017.

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